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DSJ-Forum

Ausgabe 03 2004

 

 

Allgemeine Jugendarbeit – Geht Dich nix an?

 

Der ewige Widerspruch zwischen dem „echten“ Schachsport, also dem Leistungssport, und dem restlichen „Drumherum“, der so genannten allgemeinen Jugendarbeit, … ist gar keiner!

Zu diesem Ergebnis kommt Jan Pohl in seinem Grundsatzreferat zur Bedeutung der allgemeinen Jugendarbeit.

 

„Wir glauben, dass es Spaß machen muss, Bestleistungen zu erbringen.“

 

In der Diskussion über die Bedeutung der allgemeinen Jugendarbeit treten seiner Meinung nach vor allem zwei Probleme auf:

 

- Einerseits ein Definitionsproblem.

„Ich habe häufig das Gefühl, dass der Begriff Allgemeine Jugendarbeit zu einem Allgemeinplatz geworden ist, der immer dann angewendet wird, wenn etwas offensichtlich nichts mit Schachsport zu tun hat.“

 

- Andererseits ein Zweifeln an den Nutzen der allgemeinen Jugendarbeit.

„Es gibt immer noch Zweifel an dem Nutzen, den die Allgemeine Jugendarbeit für das deutsche Schach hat.“

 

In seiner Betrachtung dieser beiden zentralen Kritikpunkte an der Konzeption der allgemeinen Jugendarbeit kommt er schließlich zu dem Ergebnis:

„Die DSJ ist eine Jugendorganisation. Allein diese Tatsache entlässt uns in die Verantwortung, mehr zu tun, als nur für die Verbreitung und die Pflege des Schachs zu sorgen. Als Jugendorganisation sind wir in die Pflicht genommen, den Jugendlichen im Mittelpunkt zu sehen.“

 

Diese Betrachtung, exemplarisch an der Deutschen Schachjugend durchgeführt, ist auch ein Maßstab für die Arbeit in den Landesverbänden, Bezirken und schließlich den Vereinen. Sie zeigt auf, dass eine gleichermaßen leistungs- und breitensportliche Ausrichtung den Ansprüchen einer Sport-Jugendorganisation am ehesten gerecht wird. Und sie erläutert, warum aus einer Masse eine Spitze hervor gehen kann.

 

 

 

Allgemeine Jugendarbeit in der Deutschen Schachjugend

Ich möchte anfangen, indem ich eine kurze Szene aus meinem Landesverband schildere.

Vor einigen Wochen stellten wir uns in Hamburg die Frage, warum es im Moment so schlecht bei uns voran geht, warum unsere schachlichen Leistungen nachlassen und warum wir keine Mitarbeiter für die Arbeit in unserer Schachjugend mehr finden. Bitte fragt jetzt nicht wie, aber plötzlich verwandelten sich diese drei Fragen in eine einzige: wie ist eigentlich das Verhältnis von Schachsport und Allgemeiner Jugendarbeit bei uns? Ein sehr engagierter Vertreter des Leistungssports freundete sich schnell mit der Aufgabe an, die Aktivitäten bei uns in Aktivitäten für Leistungsschach und Aktivitäten für Allgemeine Jugendarbeit zu ordnen. Ein bisschen wie im Märchen: die guten ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen. Und tatsächlich, dieser Vergleich von gut und schlecht mutet weniger absurd an, als er auf den ersten Blick erscheint. Am Ende kam nämlich heraus, dass das Töpfchen weniger Leistungssporterbsen abbekommen hatte und so war auch das Fazit des engagierten Leistungssportvertreters logisch: das unausgeglichene Verhältnis von Allgemeiner Jugendarbeit und Leistungsschach ist die Ursache für die Misere im Hamburger Jugendschach und glücklicherweise lässt diese Erkenntnis eine einfache Lösung zu: Aktivitäten im Bereich Allgemeine Jugendarbeit einschränken und in den Bereich Leistungsschach verlagern. Dann geht es wieder aufwärts. Wie einfach.

In der Frage nach dem Verhältnis von Allgemeiner Jugendarbeit und Leistungsschach habe ich meinen eigenen Landesverband immer als einen der fortschrittlicheren Landesverbände in Deutschland gesehen, wo man nicht der Versuchung erlegen ist, in Allgemeiner Jugendarbeit und Leistungsschach zwei konkurrierende Sektoren zu sehen, sondern richtig in der Annahme gegangen ist, dass es sich bei diesen Sektoren um zwei sich gegenseitig stimulierende Komponenten handelt. Und genau aus diesem Grund ist es natürlich Unsinn, den einen Sektor zugunsten des anderen Sektors reduzieren zu wollen. Dieser Vorschlag ist Beleg dafür, dass nicht verstanden wird, wozu Allgemeine Jugendarbeit in der Lage ist und welche Vorzüge sie besitzt, insbesondere im Bezug auf Leistungsschach. Beide Sektoren müssen sich stets auf Augenhöhe befinden und zwar nicht durch Reduzierung des einen nach unten, sondern durch kontinuierliche qualitative Verbesserung beider Bereiche nach oben.

Die Deutsche Schachjugend hat in den letzten Jahren eine Entwicklung durchgemacht, in der die Allgemeine Jugendarbeit ein Niveau erreicht hat, das sich auf eben dieser gleichen Augenhöhe mit dem Leistungsschach und dem Spielbetrieb befindet. Niemand in der Deutschen Schachjugend würde soweit gehen und sagen, wir vernachlässigen den Sport und verwenden das eingesparte Geld für acht GirlsCamps und sieben Sommerlager im Jahr. Im Gegenteil: es gelingt uns von Jahr zu Jahr, das Niveau im Bereich Leitungsschach ein wenig zu heben, genauso, wie wir das von Jahr zu Jahr im Bereich der Allgemeinen Jugendarbeit versuchen.

Die Deutsche Jugendeinzelmeisterschaft ist ein gutes Beispiel für gleiche Augenhöhe. So wird oft schnell geschlossen, dass die DEM aufgrund des Freizeitprogramms zu einer Breitenschachmaßnahme verkommen ist. Diese Einschätzung kann allerdings nur sehr kurzes bis gar kein Nachdenken vorausgesetzt haben, denn nach wie vor wird auf der DEM deutsches Spitzenschach geboten, die besten deutschen Jugendspieler fahren auf diese Veranstaltung. Es hat allerdings eine entscheidende Veränderung gegeben: wir haben diese Veranstaltung durch die zentrale Ausrichtung und durch das Rahmenprogramm aufgewertet, wir haben diese Veranstaltung des Leistungsschachs attraktiver gemacht und den guten deutschen Spielern einen neuen Anreiz gegeben, weiterhin Bestleistungen zu erbringen, um auf dieser qualitativ hochwertigen Veranstaltung dabei sein zu können. Wir glauben, dass es Spaß machen muss, Bestleistungen zu erbringen.

Leider ist das Einschätzungsvermögen unseres engagierten Hamburgers nicht einzigartig in Deutschland. Immer noch zu oft begegnen wir die Meinung, Allgemeine Jugendarbeit darf höchstens geduldet sein, sie kann unter Umständen auch betrieben werden, aber bitte nie mit dem Anspruch auf mehr Priorität.

Ich glaube, dass diese Einstellung auf zwei Ursachen zurückzuführen ist.

  • Es gibt ein Definitionsproblem. Ich habe häufig das Gefühl, dass der Begriff Allgemeine Jugendarbeit zu einem Allgemeinplatz geworden ist, der immer dann angewendet wird, wenn etwas offensichtlich nichts mit Schachsport zu tun hat. Ich halte diesen Trend für gefährlich, wird so doch die immer wieder die gern entdeckte Kluft zwischen Spielbetrieb und Allgemeiner Jugendarbeit vergrößert. Ich möchte fast noch weiter gehen und behaupten, erst die Unklarheit in der Begriffsdefinition und die daraus entstandene Rettung in eine scheinbare und zugegebenermaßen saloppe Erklärung „Allgemeine Jugendarbeit ist alles das, was keine Weltmeister produziert“ hat dazu geführt, dass eine Kluft zwischen Leistungsschach und Allgemeiner Jugendarbeit aufgemacht worden ist.
  • Es gibt immer noch Zweifel an dem Nutzen, den die Allgemeine Jugendarbeit für das deutsche Schach hat. Man kann sich leicht hinstellen und sagen, Jugendsprecherseminare sind Quatsch, brauchen wir nicht oder Chorprojekt Schwarz oder Weiß ist Quatsch, brauchen wir auch nicht. Schwieriger wird es aber, sich so hinzustellen, wenn man weiß, was Jugendsprecherseminare und Chorprojekt für einen Sinn haben, welchen Einfluss sie auf das Deutsche Jugendschach haben.

Ich möchte diese Gelegenheit hier nutzen, um in einem ersten Schritt zu erklären, was die Deutsche Schachjugend unter Allgemeiner Jugendarbeit versteht und welche Arbeitsfelder sich in diesem Bereich ergeben. Anschließend möchte ich auf die Aufgaben und Verpflichtungen der DSJ eingehen und die Frage stellen, ob die Allgemeine Jugendarbeit zur Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten beiträgt.

Das Definitionsproblem von Allgemeiner Jugendarbeit
Ich bin mir im Klaren darüber, dass die meisten von euch sich bereits ihre eigene Vorstellung von Allgemeiner Jugendarbeit gemacht haben. Doch auch auf die Gefahr hin, jetzt nichts Neues zu erzählen, will ich hier trotzdem versuchen, Allgemeine Jugendarbeit aus Sicht der Deutschen Schachjugend zu definieren, sofern sich ein Programm, das wie kaum ein anderes von den Ideen und der Kreativität seiner Verfechter lebt, überhaupt definieren lässt.

Die Deutsche Schachjugend hat in ihrem Grundsatzkonzept die eigene Arbeit auf drei gleichberechtigt nebeneinander stehende Säulen verteilt.

  • Schachsportliche Jugendarbeit
  • Schachsportübergreifende Jugendarbeit
  • Schulschach

Alten DSJ-Hasen ist diese Darstellung auch als 3-Säulen Modell bekannt und ich kann mich noch gut erinnern, dass es bei der Verabschiedung dieses Modells als Grundlage der eigenen Arbeit viele kritische Stimmen gab, die eine Gleichberechtigung der schachsportlichen und schachsportübergreifenden Arbeit als wenig förderlich für das deutsche Schach erachteten, manche Stimmen gingen sogar noch weiter, wenn sie prophezeiten, dass eine Gleichberechtigung sogar schädlich für den Schachsport wäre. Auf die positiven Effekte, die eine solche Gleichstellung mit sich gebracht hat, möchte ich zwar erst in einem nächsten Schritt eingehen, allen Kritikern sei an dieser Stelle aber schon einmal der letzte Stand der Mitgliederentwicklung zur Lektüre angeraten.

In der Bezeichnung der drei tragenden DSJ-Säulen taucht nun noch nicht die Allgemeine Jugendarbeit auf, ich verrate aber sicherlich kein Geheimnis, wenn ich sage, dass sie der Säule II zugerechnet wird, allerdings, und das möchte ich betonen, nicht als einziger Bestandteil. Die Säule II umfasst neben der Allgemeinen Jugendarbeit noch die Arbeitsfelder Jugendsprecherarbeit, Mitarbeiterqualifizierung und Öffentlichkeitsarbeit. Das führt zu einer Gliederung der schachsportübergreifenden Arbeit in:

  • Allgemeine Jugendarbeit
  • Jugendsprecherarbeit
  • Mitarbeiterqualifizierung
  • Öffentlichkeitsarbeit

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass es natürlich schwierig ist, klare Grenzen für einzelne Arbeitsfelder oder Säulen zu ziehen Ich würde jedem Recht geben, der darauf hinweist, dass Elemente der Jugendsprecherarbeit genauso zur Allgemeinen Jugendarbeit gehören können, wie Teile der Mitarbeiterqualifizierung zur Jugendsprecherarbeit. Diese Abgrenzungen müssen als fließend verstanden werden, sie sollen lediglich helfen, Schwerpunkte unserer Arbeit aufzuzeigen.

Das Arbeitsfeld der Allgemeinen Jugendarbeit habe ich ebenfalls einem Versuch der Gliederung unterzogen und damit wird es spannend, denn jetzt wird deutlich, was alles zur Allgemeinen Jugendarbeit gehören kann:

  • Politische und gesellschaftliche Bildung
  • Kulturelle Bildung
  • Internationale Jugendarbeit
  • Sport mit benachteiligten Gesellschaftsgruppen
  • Breiten- und Freizeitsport
  • Öffentlichkeitsarbeit (fließend ? Öffentlichkeitsarbeit)
  • Mitgliederwerbung (evtl. fließend ? Mitarbeiterqualifizierung)
  • Mitarbeitermotivation (evtl. fließend ? Mitarbeiterqualifizierung)

Diese acht Aspekte stellen das Feld dar, auf dem sich die Allgemeine Jugendarbeit austoben kann und mit diesen acht Feldern geht die Deutsche Schachjugend über den reinen Leistungssport und die reine Organisation des Spielbetriebs hinaus. Mit diesen acht Bereichen „übergreift“ sie den Schachsport, macht schachsportübergreifende Arbeit, wie es die Bezeichnung der Säule verspricht.

Ich möchte an dieser Stelle noch nicht werten, ich möchte nicht sagen, ob oder warum wir diese acht Arbeitsfelder brauchen. Ich möchte lediglich die Bandbreite darstellen und in dem einen oder anderen die Erkenntnis hervorrufen: „Ups, wir machen ja schon lange Allgemeine Jugendarbeit, haben es aber bisher gar nicht so richtig gemerkt.“

Ich habe zu Beginn gesagt, dass eine mögliche Ursache für das Missverhältnis von Spielbetrieb und Allgemeiner Jugendarbeit die fehlende Definierbarkeit der Allgemeinen Jugendarbeit ist. Das, was sich hinter mir an der Wand befindet, stellt den Definitionsversuch der Deutschen Schachjugend dar, den wir empfehlen können, nach dem wir selbst arbeiten, von dem wir aber nicht behaupten, dass er endgültig und allein zur Wahrheit berechtigt ist. Allgemeine Jugendarbeit lässt sich nicht so definieren, wie sich Leistungssport oder Spielbetrieb definieren lassen. Es ist lediglich möglich, Felder und Themengebiete abzustecken, in denen sich die Allgemeine Jugendarbeit bewegen kann. Das Schöne an der Allgemeinen Jugendarbeit ist die Dehnbarkeit.

Was sagen wir nun denjenigen, die glauben, dass Allgemeine Jugendarbeit keine Weltmeister produziert? Was sagen wir denjenigen, die der Meinung sind, Projekte der Allgemeinen Jugendarbeit haben keinen Einfluss auf die Ausbildung von starken Schachspielern?

Ich schlage vor, wir sagen ihnen, dass sie Recht haben. Allgemeine Jugendarbeit produziert keine Weltmeister. Aber das kann auch nicht ihre Aufgabe sein.

Das Schöne an der Allgemeinen Jugendarbeit ist die Dehnbarkeit, die Möglichkeit, sie in viele Themenbereiche hineinzudehnen. Man denke in diesem Zusammenhang an den Chor Schwarz oder Weiß oder an die Auftritte der DSJ auf der Jugendmesse YOU. Die vielfältigen Impulse, die sie so zu setzen in der Lage ist, fließen auf dem Umkehrwege wieder zurück und bereichern so die gesamte Organisation. Und wenn diese Impulse zurückfließen und die Deutsche Schachjugend bereichern, dann haben wir einen Nutzen davon.

Jeder Kritiker, der behauptet, dass Chorprojekt und Messeauftritt keinen direkten Nutzen für den Schachsport haben, übersieht den gemeinsamen Nenner, den sowohl Turnier und Chorauftritt haben. Dieser gemeinsame Nenner heißt Schach. Bei aller Dehnbarkeit der Allgemeinen Jugendarbeit: sie wird nie den Bezug zum Schachsport verlieren. Alle Projekte der Allgemeinen Jugendarbeit wirken sich unmittelbar auf die deutsche Schachlandschaft aus, sie wirken nur an anderer Stelle.

Immer wenn im Spielbetrieb und in der Allgemeinen Jugendarbeit zwei miteinander konkurrierende Komponenten gesehen werden, ist dieser gemeinsame Nenner „Schach“ übersehen worden. Beide Komponenten verfolgen doch ein gemeinsames Ziel, beide wollen dem Schachsport nützen!

Ich behaupte also, dass Allgemeine Jugendarbeit einen Nutzen für den Schachsport hat und dieser Nutzen ist ihre Daseinsberechtigung.

Gerade der Zweifel an diesem Nutzen ist meiner Meinung nach jedoch der zweite Grund für die Skepsis gegenüber der Allgemeinen Jugendarbeit. In einem weiteren Schritt möchte ich deswegen versuchen, den Nutzen für das deutsche Schach herauszustellen.

Die Frage nach dem Nutzen von Allgemeiner Jugendarbeit

Welchen Nutzen hat nun also die Allgemeine Jugendarbeit? Ich glaube, dass wir diese Frage klären können, indem wir in einem ersten Schritt nach den Aufgaben und den Verpflichtungen der Deutschen Schachjugend fragen.

Bei der Suche nach unseren Aufgaben können wir es uns einfach machen und in unser Grundsatzkonzept blicken. Dort heißt es noch im ersten Absatz: „Die Deutsche Schachjugend hat die Aufgabe, sich um die Pflege des Schachsportes zu kümmern und für die Verbreitung des Schachspiels bei Kindern und Jugendlichen zu sorgen.“ Eine Aufgabe der DSJ ist also, sich um die Pflege und Verbreitung des Schachsports und des Schachspiels zu kümmern.

Noch vor diesem zitierten Abschnitt findet sich allerdings der Hinweis auf eine ganze Bandbreite von Aufgaben. Im allerersten Satz des Grundsatzkonzeptes der Deutschen Schachjugend, das von der Jugendversammlung 2000 beschlossen wurde, heißt es nämlich: „Die Deutsche Schachjugend ist die Jugendorganisation des Deutschen Schachbundes.“ Da haben wir es schwarz auf weiß, um in der Sprache unseres Sports zu bleiben. Die DSJ ist eine Jugendorganisation. Allein diese Tatsache entlässt uns in die Verantwortung, mehr zu tun, als nur für die Verbreitung und die Pflege des Schachs zu sorgen. Als Jugendorganisation sind wir in die Pflicht genommen, den Jugendlichen im Mittelpunkt zu sehen. Als Jugendorganisation haben wir einen gemeinnützigen Auftrag bekommen, wir sollen unserer Jugend Mitbestimmung und Partizipation gewähren. Wir sollen unsere Jugend bilden, sowohl im gesellschaftlichen als auch im kulturellen und politischen Sinne. Wir sollen die Integration von sozialen Randgruppen fördern. Wir sollen zur Völkerverständigung beitragen. Wir sollen unserer Jugend die Möglichkeit bieten, ihre Freizeit sinnvoll und gewinnbringend für sich selbst gestalten zu können. Als Jugendorganisation hat die Deutsche Schachjugend die Aufgabe, Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg ins Erwachsendasein zu unterstützen. Dafür bekommen wir einen großen Teil unserer Zuschüsse!

Wenn ich die Aufgaben und Pflichten der Deutschen Schachjugend zusammenfasse, komme ich auf zwei zentrale Aspekte:

  • Pflege und Verbreitung von Schach
  • Aufgaben als Jugendorganisation (Mitbestimmung, Bildung, Integration, Völkerverständigung, Freizeitgestaltung)

In diesen beiden Aufgaben finden sich auch zwei der DSJ-Säulen wieder. Die Säule I, die Säule der schachsportlichen Arbeit, muss sich um die Pflege und die Verbreitung des Schachspiels und des Schachsports kümmern. Ein Teil der Säule II übernimmt die Verantwortung für die Aufgaben, die die Deutsche Schachjugend als Jugendorganisation hat. Dieser Teil der Säule II nennt sich bei uns Allgemeine Jugendarbeit.
 
Ich werde nicht müde, noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich bei diesen Aufgaben kein Ranking vorgenommen habe und auch das Schulschach nur aus thementechnischen Gründen auslasse. Alle drei Säulen müssen absolut gleichberechtigt betrachtet werden, niemand soll sich hinstellen und behaupten, unser Bildungsauftrag ist gewichtiger, als unser sportlicher Auftrag. Im Gegenzug darf sich aber ebenfalls keiner finden, der es für wichtiger hält, möglichst viele Kinder möglichst früh mit möglichst viel Schach voll zu pumpen, weil er davon ausgeht, dass das Deutsche Schach nur so auf seine Talente kommt und dabei vergisst, dass er gleichzeitig den Auftrag hat, Schach pädagogisch vernünftig zu vermitteln.
 
Was den Aufgaben der Deutschen Schachjugend als Jugendorganisation nicht abhanden kommen soll, ist der gemeinsame Nenner, den Säule I und Säule II haben und auf den ich bereits vorhin eingegangen bin. Der gemeinsame Nenner heißt Schach, das ist das Mittel, mit dem wir Jugendarbeit machen!
 
Die drei Säulen der DSJ stellen die Arbeitsfelder der DSJ dar. Diese Arbeitsfelder haben wir uns selbst gegeben, die entsprechenden Stellen habe ich aus dem Grundsatzkonzept zitiert.
 
Die Allgemeine Jugendarbeit, um die es hier ja nun eigentlich geht, ist im Zusammenhang mit den Aufgaben der Deutschen Schachjugend bereits einmal kurz erwähnt worden. Ich habe gesagt, dass die DSJ ihren Aufgaben als Jugendorganisation immer dort gerecht wird, wo sie Allgemeine Jugendarbeit macht. Die DSJ macht also Allgemeine Jugendarbeit, weil sie zu ihren Aufgaben gehört. Die

Deutsche Schachjugend hat einen Nutzen von der Allgemeinen Jugendarbeit, weil die Inhalte dieser Arbeit helfen, ihren eigenen Ansprüchen als Jugendorganisation gerecht zu werden.
 
Ich habe bei der Darstellung meiner beiden Problemfragen gesagt, dass es immer noch Zweifel an dem Nutzen gibt, den die Allgemeine Jugendarbeit für das deutsche Schach hat. Vielleicht war diese Formulierung nicht ganz sauber. Möglicherweise hätte ich vermuten sollen, dass es immer noch Zweifel an dem Nutzen der Allgemeinen Jugendarbeit für die deutsche Schachjugend gibt und mit deutscher Schachjugend meine ich nicht uns als Organisation, sondern die Jugend, die in Deutschland Schach spielt. Um die muss es uns als Jugendorganisation gehen, das sagte ich bereits und nun ist es an der Zeit zu überprüfen: sind Jugendsprecherseminare Quatsch? Ist das Chorprojekt Schwarz oder Weiß Quatsch?
 
Einmal davon abgesehen, dass wir einen großen Stamm unserer Mitarbeiter aus den Jugendsprecherseminaren rekrutieren und sie allein aus diesem Grund bereits einen Nutzen darstellen, dienen sie auch der Partizipation und Bildung von Jugendlichen. Durch Kooperationen mit der Behindertenjugend bringen wir Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Lebensansätzen, Sichtweisen und Erfahrungen zusammen und bereichern sie durch diese Auseinandersetzung. Teamarbeit, Rhetorik oder Öffentlichkeitsarbeit sind Themen, von denen die Vereine, die ihre Mitarbeiter zu den Seminaren geschickt haben, mit Sicherheit einen Nutzen haben, in erster Linie bildet sich aber so der einzelne Mensch weiter. Durch unsere Jugendsprecherseminare bilden Jugendliche Netzwerke, bauen Freundschaften auf und übernehmen durch Engagement und Aufgaben vor Ort Verantwortung, die häufig auch noch über die Seminare selbst getragen wird. Ähnlich verhält es sich bei dem Chorprojekt, das Kinder und Jugendliche zur Kreativität anregt, sie dazu anregt, sich mit anderen und sich selbst auseinanderzusetzen, sie die Befriedigung schmecken lässt, wenn die CD mit der eigenen Stimme bei der Deutschen Schachjugend bestellt werden kann und sie den Erfolg genießen lässt, wenn der eigenen Leistung durch Applaus genüge getan wird. Diese Erlebnisse geben Kindern und Jugendlichen mehr, als wir auf den ersten Blick erahnen und deswegen müssen wir uns in die Pflicht genommen fühlen, als Jugendorganisation solche Erlebnisse immer wieder und möglichst vielen zu ermöglichen. Das ist der Nutzen, den die Allgemeine Jugendarbeit für die Deutsche Schachjugend hat.
 
Ich habe meinen Vortrag mit einer kleinen Geschichte begonnen und ich möchte ihn auch mit einer kleinen Geschichte beenden.
 
Vorgestern hatte ich meinen letzten Schultag.
Vier Wochen lang habe ich Lehrer gespielt und ein Praktikum in einer Haupt- und Realschule absolviert. Kurz vor meinem Praktikum hat eine Bande von Schulfremden versucht, einen Schüler aus dem Unterricht zu entführen, um ihn mal richtig zusammen zu falten. Das Kidnapping schlug fehl, es wurde lediglich mit einer Gaspistole auf dem Schulhof geschossen. In meiner dritten großen Pause gingen zwei Schüler mit Scheren in der Cafeteria aufeinander los, dem beherzten Koch ist es zu verdanken, dass es keine verletzten gab. Als die Jungs einer achten Klasse bei den Mädchen in die Umkleide reingucken wollten, ging die Tür zu Bruch. Das Praktikum war spannend, ich lebe und will immer noch Lehrer werden. Die Geschichte, die ich aber eigentlich erzählen will ist Folgende: auf dieser Schule gibt es eine Schach AG, an der zwanzig bis fünfundzwanzig Kinder teilnehmen. Ich hätte nie gedacht, dass sich diese Kinder, die sich während der Schulzeit oft nur mit Schreien und Schlagen zu helfen wissen, so auf die Schach AG freuen. Und warum freuen sie sich? Weil sie sich eine Stunde am Nachmittag treffen, weil sie quatschen und spielen können. Dort wird wahrlich kein hochwertiges Schach geboten, aber diese Schach AG bietet hochwertige Jugendarbeit. Allgemeine Jugendarbeit.

Jan Pohl war mehrere Jahre als Jugendsprecher und Referent für allgemeine Jugendarbeit im Vorstand der Deutschen Schachjugend tätig. Seit März 2004 ist er stellvertretender Vorsitzender der DSJ.

 

Das Referat steht auch zum Download als pdf zur Verfügung.

 

 

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Das DSJ-FORUM ist das Informationsblatt der Deutschen Schachjugend. Es erscheint 10mal im Jahr als Beilage der Zeitung JUGENDSCHACH.

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