Interview mit Arkadij Naiditsch, Artur Jussupow und Niclas Huschenbeth

Wenn man einmal drei bekannte Großmeister auf der DEM zu Gast hat, muss man diese einmalige Chance natürlich nutzen und sie zum Gespräch bitten. Im Interview standen die Drei uns Rede und Antwort zu verschiedenen aktuellen schachlichen Themen.

Könntet ihr kurz euren Gesamteindruck bezüglich der Meisterschaft schildern?

Jussupow: Die Meisterschaft ist sehr gut organisiert und hat ideale Spielbedingungen in einem schönen Hotel. Die Schachspieler fühlen sich bei dieser super Veranstaltung sehr wohl. Das hier ist vielleicht das Beste, was in Deutschland passiert. Ich war jetzt dreimal dabei und hatte immer einen guten Eindruck. Es ist wichtig, dass es solche Turniere gibt und die Kinder das immer wieder erleben wollen, das schafft Motivation und so entsteht eine Leistungspyramide.

Huschenbeth: Ich kann mich dem nur anschließen. Das hier ist ein beeindruckendes Hotel und der Spielsaal ist top. Auch das Frühstück ist toll, Mittag- und Abendessen sind in Ordnung. Ich war schon sehr oft dabei und es gab nie etwas Großes zu beanstanden.

Jussupow: Wie oft hast du gespielt?

Huschenbeth: Hm, so oft…

Hast du eine Veränderung in den ganzen Jahren festgestellt?

Huschenbeth: Eigentlich nicht. Ich wurde immer melancholisch am Abreisetag, wollte wieder kommen und fand es schade, dass es noch ein Jahr dauert. Ich war wirklich immer traurig. Als Zuschauer bin ich auch gerne da, aber das ist natürlich ein anderes Gefühl. Das Hotel war eigentlich immer gut.

Naiditsch: Ich habe jetzt zwei DEMs hintereinander besucht und das Maritim ist eine deutliche Steigerung zu Oberhof. Das Hotel ist gut gelegen, direkt am Bahnhof und Magdeburg ist eine schöne Stadt. Die Halle bietet super Spielbedingungen. Das ist auf jeden Fall ein Fortschritt.

Welcher Eindruck entstand während der Livekommentierung der DEM-Partien? Können wir zufrieden sein mit den Entwicklungen im deutschen Jugendschach?

Huschenbeth: Ich habe nur einen kurzen Einblick bekommen, aus einer Stichprobe heraus ist das schwer zu sagen. Aber Sorgen müssen wir uns natürlich nicht machen. Es kommen immer neue starke Spieler nach, z.B. Vincent Keymer, der in der U10 immer noch 100% hat.

Jussupow: Wichtiger als die Stärke der Spitze ist es, Struktur zu schaffen. Wir müssen nicht unbedingt Spitzensportler produzieren, wenn die Struktur und Basis stimmt, kommt der Rest von alleine. Ich habe gute Partien gesehen. Mir ist immer wichtig, dass gekämpft wird und das war der Fall. Die DEM ist gut so und muss ein Topevent bleiben. Fehler können immer einmal passieren und sind in Ordnung, wenn sich die Spieler engagieren.

Naiditsch: Die Zeit ist zu kurz, um das richtig zu beurteilen. Dazu müsste man sich mit den einzelnen Spielern selbst auseinandersetzen. Zwei Stunden reichen nicht, um einen genaueren Eindruck zu bekommen.

Talent allein reicht nicht aus. Welchen Tipp könnt ihr den Teilnehmern in Bezug auf ihre weitere Entwicklung geben?

Huschenbeth: Natürlich ist harte Arbeit und Disziplin elementar, obwohl Talent wichtig ist. Bei mir stand immer das Kämpferische vorne. Spielen ist das beste Training. Man sollte alles ausspielen und Remis ablehnen. Dadurch lernt man am meisten, auch wenn man nach dem Remisablehnen mal verliert.

Jussupow: Ich sehe es etwas anders. Natürlich ist es wichtig, die DEM zu spielen und sich dann möglichst auf Europa- und Weltmeisterschaften mit den Besten zu messen. Aber man muss auch im Training Informationen herausarbeiten, eigene Fehler analysieren und daraus lernen. Training und gute Turniere gehören zusammen.

Naiditsch: Artur hat das perfekt formuliert. Die Formel besteht aus spielen und analysieren. Es ist auch wichtig, jede Partie bis zum Ende zu spielen. Remis sollte es im Jugendbereich gar nicht geben, dadurch lernt man nichts.

Huschenbeth: Wichtig ist vor allem das Analysieren von Fehlern, um ein Muster zu erkennen und dann die Ursache zu bekämpfen.

Wie steht ihr zu der zeitweise drohenden Kürzung bzw. Streichung von Leistungssportfördermitteln durch das BMI? 

Huschenbeth: Ich bin froh, dass die Entscheidung zurückgenommen wurde. Diese war ein harter Schlag für den DSB. Ich fand es schon fast witzig, bei Chessbase zu lesen, dass Sportarten, wo man im Prinzip "nur mit dem Finger wackeln" muss, wie Schießen, Sport sein sollen, aber Schach nicht. Hoffen wir, dass die Förderung fortgesetzt wird!

Jussupow: Zu diesem Thema könnte man sehr viel sagen. Ich möchte nur auf einen Aspekt eingehen. Es geht hier um Missverständnisse und um diese auszuräumen, müssen wir uns richtig definieren. Man sieht Sport als Bewegungskultur, Schach aber ist definiert als Denksport und Teil der geistigen Kultur. Beide Bereiche sind wichtig. Schach ist zum Beispiel wichtig für den erzieherischen Bereich. Unsere Kinder sollen gut mit dem Ball sein, aber auch gut im Denken. Wir sind kein Bewegungssport, aber eine wichtige geistige Tätigkeit, deshalb sollte für uns jede Unterstützung möglich sein.

Naiditsch: Ich sehe Schach definitiv als Sport. Aber ich kenne mich nicht aus im politischen Bereich, bin kein Politiker. Die Kriterien kann ich nicht einschätzen. Meine Meinung ist bei der Entscheidung nicht so wichtig, aber ich persönlich sehe es so.

Könnt ihr unseren Teilnehmern kurz berichten, welche Projekte in nächster Zeit bei euch anstehen? 

Huschenbeth: Ich habe in letzter Zeit viele Videoserien aufgenommen mit Chess24. Mein Eröffnungrepertoire mit Weiß haben wir komplett aufgenommen sowie das mit Schwarz gegen 1. e4. Das war wirklich ein Mammutprojekt. Von meiner Fritztrainer-Taktik-Turbo9-DVD habe ich drei Exemplare mitgebracht, diese möchte ich morgen unter den Simultanteilnehmern verteilen. Diese Projekte hatten bei mir zuletzt Priorität, aber ich spiele auch noch Schach. Als nächstes steht das St. Pauli Open Ende Juli an. Am 5. Juli habe ich noch ein Seminar beim HSK zum Thema „Mein Weg zum GM“.

Jussupow: Ich mache viel Internettraining und trainiere die Schweizer Junioren. Kürzlich habe ich eine überraschende Einladung nach China zu einem Schnellschachturnier erhalten. Man bildet dort zusammen mit einer Frau ein Team. Die chinesischen Frauen spielen gut, ich werde also mit einer eine Mannschaft bilden und gegen 4 andere Teams antreten. Das Ganze findet Ende Juli statt. Aber Arkadij hat sicher das interessanteste Programm von uns.

Naiditsch: Bei mir stehen sehr viele Turniere an. Ich fliege von hier direkt zur Schnellschach- und Blitzschach-Weltmeisterschaft nach Dubai. Gleich danach geht es weiter zu einem Rundenturnier nach China und dann stehen schon die Dortmunder Schachtage vor der Tür. Höhepunkt ist natürlich die Schacholympiade.

Was traust du dem deutschen Team dort zu?

Naiditsch: Wir haben die stärkste Mannschaft seit langem. Nicht unter die Top 10 zu kommen, wäre eine Enttäuschung. Ob wir ganz vorne mitmischen können, ist unklar. Aber wir werden unser Bestes geben!

Vielen Dank für das Interview!