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Ein Berufsschulzentrum für Thanh Hoa - Bericht aus Vietnam

Hannelore Book ist langjährige Mitarbeiterin des Kinderhilfswerks terre des hommes Deutschland. Dort koordiniert sie unter anderem die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Organisationen - und auch die Partnerschaft mit der Deutschen Schachjugend. Vom 18. Februar bis zum 9. März war sie auf einer Projektreise in Vietnam. Dort besuchte sie unter anderem die Provinz Thanh Hoa, in der die Deutsche Schachjugend die Patenschaft für ein wichtiges Bildungsprojekt übernommen hatte. In Thanh Hoa startete im vergangenen Jahr ein weiteres Projekt, das die DSJ in Zukunft unterstützen wird. Für die DSJ schildert Hannelore Book ihre Eindrücke aus Vietnam und berichtet von der Bedeutung, die die Arbeit des Kinderhilfswerks für die Region hat.

 

 

„Ich habe mir mit dieser Reise einen lang gehegten Wunsch erfüllt, da es sich auch persönlich für mich um eine Zeitreise handelte. Ich habe all die Projekte besucht, die ich schon aus den Jahren kannte, als noch Krieg in Vietnam herrschte, wie das Zentrum für körperbehinderte Kinder in Saigon/Ho Chi Minh-Stadt und das Zentrum für unterernährte Kinder, ebenfalls in Saigon. 80 % der Kinder, die hier behandelt werden, kommen aus dem armen Norden Vietnams, besonders aus der Provinz Thanh Hoa.

 

Die Provinz Thanh Hoa, in der sich auch das bis Ende 2008 von der Deutschen Schachjugend  geförderte Schulprojekt befindet, liegt 150 km südlich von Hanoi und ist mit  knapp vier Millionen Einwohnern eine der größten Provinzen Vietnams, mit 70 % Waldboden und Bergland. Knapp die Hälfte der 27 Provinz-Distrikte sind Bergdistrikte und besonders arm. Hier leben überwiegend ethnische Minderheiten der Volksgruppen Thai, H'mong, Muong, Khomu und Dao.

 

Thanh Hoa ist für seine Armut und schwierigen Lebensbedingungen in ganz Vietnam bekannt.

 

ein typisches Schulgebäude in Thanh Hoa
Die Schüler müssen in selbstgebauten Hütten hausen.

Fehlende Arbeitskräfte verfestigen die Armut

Die natürlichen Überlebensbedingungen sind hart aufgrund der bergigen Landschaft und des rauen Klimas der Region. Im Winter wird es sehr kalt und im Sommer oft von Taifunen heimgesucht. Die landwirtschaftliche Produktion bietet keine ausreichenden Arbeitsmöglichkeiten und Erträge für alle Einwohner. Hinzu kommt, dass in den abgelegenen Landgemeinden bislang kaum Kenntnisse und Strukturen für selbstorganisierte  Einkommensinitiativen vorhanden sind und die wirtschaftlichen Möglichkeiten z. B. im Handwerk, Textilverarbeitung, Informatik aufgrund mangelnder Fachkenntnisse und einem Defizit an Facharbeitern brach liegen. Ein großes Entwicklungspotential ist in den Landgemeinden bei den Kindern und bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren zu finden, da sie sozialpolitischen und ökonomischen Veränderungen mit großer Offenheit begegnen. Doch gleichzeitig fehlt dieser Gruppe der Zugang zu Informationen über ihre Rechte und Förderangebote, wie Mittel für die Finanzierung ihrer Grund- und Weiterbildung.

 

Das vietnamesische Bildungssystem sieht verpflichtend für alle Kinder zwischen 6 und 14 Jahren eine fünfjährige Grundstufe und eine vierjährige Sekundarstufe vor, die mit der Mittleren Reife abschließt. Trotz allgemeiner Schulpflicht müssen 20 % der Schülerinnen und Schüler in Thanh Hoa aus Armutsgründen den Schulbesuch vor Abschluss abbrechen.

 

Auch diejenigen Schüler, die einen Schulabschluss erreichen, haben oft keinerlei Zugang zu weiterführenden Schulen. Entweder ist der Weg zu weit, oder die Kosten für Fahrt und Unterkunft sind zu hoch.

 

Zweckmäßig: Das neue Berufsausbildungszentrum bietet Ausbildungsplätze für bis zu 800 Jugendliche

Ein Traum wird wahr

Hier soll das neue Berufsausbildungszentrum in Thanh Hoa Abhilfe schaffen. Zielgruppe sind 800 Kinder und Jugendliche aus 16 besonders armen Distrikten der Provinz. Ende Februar wurde das Berufsschulzentrum u. a. auch von mir mit eingeweiht. Hier kann sich ein Traum für 800 Mädchen und Jungen erfüllen. Sie können Schneiderei, Elektriker, Näherei und andere technische Berufe erlernen. Es war der 1. Tag für die ca. 100 Jungen und Mädchen, die schon eingeschrieben waren und die in den ersten Schülerherbergen bislang provisorisch untergebracht wurden.

 

Die Kleidung hängt noch draußen auf der Leine, einige Schulräume sind noch nicht ausgestattet - aber dennoch wurde in knapp einjähriger Bauzeit ein kleines Wunder auf die Beine gestellt, wie auch der Landrat in seiner Rede betonte. Seine Bitte richtete sich an die wenigen Firmen in der Region, sich doch dieser Jungen und Mädchen nach Abschluss bevorzugt anzunehmen.

 

75% der Projektkosten werden vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit getragen, ein weiterer Anteil vom Sozialamt in Thanh Hoa. terre des hommes übernimmt den nicht unerheblichen Rest von 100.000 Euro für die restlichen Baumaßnahmen, den Ausbau der Schülerherbergen und der Reisstipendien, ohne die die Schülerinnen und Schüler nicht versorgt wären. Ein Schulgarten ist auch geplant, um den Speisezettel aufzupeppen. Mein Appell ging an die Schülerinnen und Schüler, ihre Chance zu nutzen, da terre des hommes auch nur dank starker Partner so ein großes Projekt auf die Beine stellen kann. Das Gesamtprojektvolumen bis 2010 beläuft sich auf 616.000 Euro

 

Eröffnungsfeier für das neue Zentrum (links);
das neue Zentrum mit Unterkünften - ihre Wäsche müssen die Schüler noch draußen trocknen

Das Projekt wird als große Chance betrachtet

Das wichtigste Ziel des Projekts ist die Schaffung einer besseren Zukunft für Kinder und Jugendliche und ihre Familien in 16 Distrikten der Provinz Thanh Hoa durch den Aufbau eines integrierten Berufsbildungsprogramms.

 

Kernmaßnahme ist der Aufbau einer Berufsschule mit einem für die Zielgemeinden bedarfsgerechten und an die Lebenswelt der Zielgruppe angepassten Ausbildungsplans, der zu 70% praktischen Unterricht vorsieht. Als flankierende Maßnahme führen die Frauenunion und das Sozialamt DOLISA aus Eigenmitteln ein Kreditprogramm zur Einkommenssteigerung in der Projektregion durch, um die Familien in die Lage zu versetzen, den Schulbesuch ihrer Kinder langfristig finanzieren zu können. Aus Projektmitteln werden zudem in den Landgemeinden Aufklärung zu Kinderrechten und kulturellen Rechten sowie Beratung zur Förderung der Selbstorganisation und kommunalen Vermarktung angeboten.

 

Betonen möchte ich noch, dass ich von den Schülerinnen und Schülern und allen Offiziellen mit großen Ehren und viel Applaus nach meiner Rede empfangen und begleitet wurde.“

 

Symbol für die Zukunft: Hannelore Book von tdh pflanzt bei der Eröffnungsfeier einen Baum;
mit einer großen Tafel am Gebäude dankt die Schule terre des hommes für die Unterstützung